Iris Berben über Schönheitsideale und Empowerment unter Frauen

Wenn Schauspielerin Iris Berben einen Laufsteg betritt, hat das einen besonderen Grund. Uns hat sie im Interview verraten, was Frauen heute für Selbst-Akzeptanz und Unabhängigkeit machen sollten

Schauspielerin Iris Berben auf dem Laufsteg
Foto: L´Oréal Paris

Mit der Laufsteg-Show Le Défilé „Walk Your Worth“ hat die Marke L'Oréal Paris jetzt den Zusammenhalt von Frauen weltweit zelebriert. Was ist heutzutage besonders wichtig für Empowerment?

Iris Berben: Es geht um Vernetzung von Frauen, es geht um Unterstützung untereinander. Ich glaube, das ist ganz wichtig, vor allen Dingen auch für die Frauen, die man sozusagen mitziehen muss. Wie bekommt man Selbstbewusstsein? Wie bekommt man Selbstbestätigung, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung? Forderungen an die Bildung sollten im Vordergrund stehen. Das ist eine der besten Plattformen, die wir haben können, mit denen Frauen in die Selbstständigkeit, in die Unabhängigkeit kommen. Wir müssen Beruf und Familie miteinander verbinden können – diese Ausrede wird ja immer gerne benutzt. Warum sollte man als Frau auf die Familie verzichten müssen? Der Mann muss es auch nicht. Was wir brauchen, sind Kita-Plätze. Was wir brauchen, ist eine Selbstverständlichkeit, damit Frauen sowohl ihr Berufsleben als auch ihr Familienleben miteinander verknüpfen können. Flexible Arbeitszeiten, da müssen Unternehmen und Führungspositionen sehr stark gefordert werden. Trotzdem denke ich, wir sind auf einem guten Weg. Wir wollen gesehen werden. Wir wollen als Frau, aber auch als Mensch gesehen werden. Wir wollen in unserer Unterschiedlichkeit gesehen werden. Der Konzern L´Oréal unterstützt das Sichtbarmachen von Frauen, das ist eine großartige Plattform. Gerade die Kosmetikindustrie hat sich über viele Jahrzehnte der Jugend verschrieben, dem Makellosen, dem Unantastbaren. Und insofern finde ich, ist L’Oréal mit dem Le Défilé „Walk your Worth“ wirklich etwas in Sachen Sichtbarkeit gelungen. Und diese Sichtbarkeit hilft dann wieder bei all den vielen Mosaiksteinen, die wir füllen müssen, um Frauen Selbstbewusstsein zu geben.

Auf dem Laufsteg sah man Sie neben starken Frauen wie Andie MacDowell oder Bebe Vio – was ist das für ein Gefühl, Botschafterin für eine weltweit führende Beauty-Marke zu sein?

Das ist ein sehr gutes und ein sehr starkes Gefühl. Ich komme noch aus einer Generation, in der man über viele Jahrzehnte den Fokus auf die Jugend gesetzt hat. Und ich bin in einer Branche tätig, in der Frauen in dieser magischen Begrenzung ab 40 nicht mehr beachtet wurden. Du warst ein Anhängsel oder du warst „die Frau von“… Da kommt wieder die Sichtbarkeit ins Spiel. Als Botschafterin muss ich mich nicht verstellen, muss nichts darstellen, was ich nicht bin. Das ist ein schönes Gefühl, vor allem mit so vielen anderen starken Frauen, die aus so vielen unterschiedlichen Bereichen kommen. Wenn wir alle miteinander auf dem Laufsteg sind, ist das kein Konkurrenzlaufen, sondern es ist wirklich die Summe all unserer Unterschiede. Wenn man so etwas als Botschafterin verkörpern darf, ich hätte es mir nicht besser wünschen können.

Ihr persönliches Rezept für ein Leben im Flow?

Persönliches Rezept trifft es gut, so etwas ist sehr individuell. Ich glaube, und das kann man vielleicht erst sagen, wenn man schon ein paar Jahre seines Lebens gelebt hat: sich anzunehmen, mit seinen Stärken und mit seinen Schwächen, auch mit diesen Stärken und Schwächen zu arbeiten und sie zu akzeptieren, ist ausschlaggebend für den Flow. Ganz wichtig ist es, neugierig zu bleiben, ich bin ein neugieriger Mensch. Angstfrei Entscheidungen zu treffen. Menschen sind durch die ungeheure Schnelligkeit, in der wir gerade Veränderung erleben, irritiert – dass Kriege sich wirklich in allernächster Nähe abspielen, dass wir eine Demokratie wieder verteidigen müssen, von der wir eigentlich alle glaubten, sie ist auf sicherem Boden verankert. Die Angst, die viele Menschen haben, ist berechtigt, diese Verunsicherung, die da ist. Aber ich versuche, mir nicht den Blick auf die wunderbare Welt nehmen zu lassen. Auf das, was geschaffen wurde, was wir geschafft haben, was um uns herum ist. Wir dürfen uns nicht nur leiten und lenken lassen von der Traurigkeit, von der Härte, von der Verunsicherung, die wir gerade erleben. Ich versuche angstfrei zu sein, Komplizen und Verbündete zu suchen. Was mache ich noch? Ich versuche, aus Routinen auszubrechen. Ich glaube, sich neuen Dingen zuzuwenden ist immer gut. Und selbst, wenn man damit scheitert, was heißt Scheitern denn heute? Ist es ein Scheitern, das einem von außen aufoktroyiert wird, oder ein Scheitern, das für einen selber wichtig ist? Da muss man sich die Messlatte selbst erarbeiten. Und wenn man sich immer an den Forderungen anderer abarbeitet, ist das eher destruktiv. Habe deine eigene Messlatte! Das alles sind Dinge, die ich versuche, zu leben, sie nicht nur vorzugeben: die Augen auf, die Poren auf, die Ohren auf, am Leben teilnehmen, neugierig bleiben, keine Angst vor Scheitern – jeder fällt mal hin. Und dann musst man sich glücklich schätzen, und auch dafür sollte man für den Flow arbeiten, Menschen um sich herum zu haben, die einem helfen können, aus so einer Situation wieder herauszukommen. Gesprächspartner:innen sind etwas Wichtiges.

Was bedeutet der Slogan “selbstbestimmte Schönheit“ für Sie?

Dass ich mich, so wie ich aussehe, so wie ich mich fühle, präsentiere und annehme. Mit Ecken, mit Kanten. Auch da ist Individualität, ist Stärke. Sich nicht einem angesagten Schönheitsideal anzunähern, sondern für sich selbst zu finden. Was sind eigentlich die Momente, in denen man sich schön findet und wohl fühlt? Selbstbestimmte Schönheit ist, sich selbst anzunehmen. Dann geht schon mal der Mundwinkel nicht so ganz nach unten. Übrigens hilft es im Leben auch, und das ist sicher etwas ganz Banales, Menschen mit einem Lächeln zu begegnen. Menschen wahrzunehmen und anzulächeln, das zählt auch zu selbstbestimmter Schönheit.

Hat sich Ihre Auffassung von Schönheit über die Jahre verändert?

Ich glaube schon, dass sich mein Blick geöffnet hat. Als junger Mensch war ich eher gefangen in Rollenbildern von Schönheit. Die Jugend hilft dabei, da denkt man, man ist unsterblich, man ist unangreifbar, man hat alle Kraft. Und das ist gut so! Heute würde ich zu einer Schönheit auch immer Menschen, Gespräche, Orte, Charaktereigenschaften zählen. Ein schöner Mensch mit einem miesen Charakter kann nicht schön sein. Irgendwie sieht man es auch, man spürt es auch. Da hat sich sicherlich etwas in meinem Kopf erweitert, was ich für den Begriff Schönheit einsetzen würde.

Welches Beauty-Ritual ist Ihnen am wichtigsten?

Ich gehe regelmäßig für Ozonbehandlungen oder Peelings zur Kosmetikerin. Ein Ritual ist auch, dass ich wirklich immer gründlich abgeschminkt ins Bett gehe, die Haut muss gesäubert werden. Ich meide möglichst die Sonne. Und ich merke, dass Schlaf immer wichtiger wird. Ich trinke viel Wasser, aber zwei Liter am Tag schaffe ich nicht. Ich schaffe auch die 10.000 geforderten Schritte nicht, wenn ich ganz ehrlich bin. Ich gehe nicht ins Sportstudio, da hätte ich ein bisschen früher anfangen sollen. Aber ich habe mich mit mir geeinigt, das ist nicht meins. Ich würde es auch zeitlich gar nicht hinbekommen
Gruppenfoto aller weiblichen Testimonials von LÓréal Paris
Foto: Damon Baker, Agency McCann

Alle großartigen Testimonials von L´Oréal Paris im September 2024 auf dem Le Défilé „Walk your Worth“

Mit welchem Red Carpet Look fühlen Sie sich am schönsten?

Ich kann das gar nicht so allgemein sagen, aber es muss immer ein Look sein, der meine momentane Stimmung unterstützt. Ich darf mich nicht verkleidet fühlen – das kann ich machen, aber dann bin ich in einer Rolle, da kann ich alles spielen. Das ist für mich aber eher eine Berufsfrage. Auf dem Red Carpet versuche ich sehr, mich persönlich einzubringen. Aber es gibt auch Situationen, da möchte ich Schutz auf dem Red Carpet, dann brauche ich einen Look, der mir diesen Schutz auch bietet. Manchmal will man eher sexy wahrgenommen werden oder powerful oder verspielt oder provokant. Der richtige Look muss immer mit der jeweiligen Stimmung zu tun haben.

Was hätten Sie gemacht, wenn Sie nicht Schauspielerin geworden wären?

Ich hätte gerne Jura studiert, ich habe ein extrem ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Auch heute will ich durch meine politischen Tätigkeiten die Welt besser machen, mich einbringen, jetzt mehr denn je. Ich habe mich immer ein bisschen als die Stimme der Sprachlosen gesehen, aber meine Schulzeit verlief dann anders: Ich habe sehr viele Schulen besucht und man hat mich auch aus sehr vielen Schulen wieder entfernt. Das hat alles nicht funktioniert. Ein Beruf in Richtung Literatur wäre auch etwas gewesen, ich lese für mein Leben gerne. Ich versinke in anderen Welten, in Sprache, sie ist für mich sehr wichtig. Ob das jetzt eine Literaturkritikerin oder eine Bibliothekarin wäre, egal. Hauptsache viel lesen, sich viel damit beschäftigen. Köchin hätte ich mir auch vorstellen können. Ich koche sehr, sehr gerne. Und Reisen ist noch eine andere Leidenschaft.

Wäre eine Welt, die nur von Frauen regiert würde, eine bessere Welt?

Ich wünsche, man könnte das einfach so beantworten und sagen, ja wäre es. Ich glaube es nicht. Ich glaube, wichtig ist, dass Gleichstand herrscht. In Entscheidungen, in Visionen, in Möglichkeiten. Nicht anfangen, Männer auszugrenzen. Wir sollten es gemeinsam mit den vielen klugen Männern, die es gibt, versuchen. Sicherlich sind Frauen in ihrer Entscheidungsfähigkeit oft menschlicher – übrigens, weil ich glaube, dass Frauen Leben möglich machen. Das bringt Frauen in eine Situation, anders über die Wertigkeit von Leben nachzudenken. Ob Frauen per se eine bessere Politik machen, weiß ich nicht. Das ist immer eine Charakterfrage, ich kenne auch sehr machtbewusste, sehr unangenehme Frauen in meinem Beruf oder auch in sonstiger Beziehung. Ich würde mich freuen, diesem Gleichstand hinzubekommen und Möglichkeiten und Visionen einzubringen. Ich glaube an die vielen klugen, heutigen Männer, die aus Strukturen ausgebrochen sind. Wir haben eine Generation von jungen Menschen, die das gemeinsam schaffen werden.

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