# HANDWERKSKUNST & HERITAGE
Mit Schmuck, der jeden Tag zu etwas Besonderem machen soll und Individualität zelebriert, sorgt Pomellato seit Jahrzehnten für Furore. Mut zu Neuem, ohne dabei Traditionen zu vergessen, beweist das italienische Label bis heute. Eine Ausstellung zeigt die Geschichte hinter den Schmuckstücken – und ihre Zukunft.
Von Katharina Pfannkuch
Wenn Unternehmen heute als visionär und mutig erscheinen wollen, bezeichnen sie sich selbst gerne als disruptiv. Wenn eine Marke zu Recht als disruptiv gilt, dann ist es Pomellato. Denn gleich zu Beginn ihrer Geschichte im Mailand der späten 1960-er Jahre brach sie mit den traditionellen Regeln der Schmuck- und Goldschmiede-Welt: Mit detailverliebten, aufwendig gestalteten, oft bunten Unikaten sollte jeder Tag im Leben einer Frau schöner und außergewöhnlicher werden, so die Idee von Pino Rabolini. Der Sohn eines Mailänder Goldschmieds gründete Pomellato 1967 und schuf mit seinen Kreationen schmuckgewordene Pendants zur Prêt-à-porter-Mode.
Schon früh arbeitete Pomellato mit großen Modefotografen zusammen. Horst P. Horst, Michel Comte, Lord Snowdon und später Peter Lindbergh fingen die oft üppig-bunten, lebendig anmutenden Pomellato-Entwürfe mit der Kamera und visionärem Blick ein. So entstanden legendäre Kampagnen. Auszüge daraus und über 100 Schmuckstücke sind seit dem 3. November in der Ausstellung „Art & Jewelry: Pomellato’s Legacy of Creativity and Craftsmanship. From 1967 to Today“ in Shanghai zu sehen. Die Besucher werden auf eine Zeitreise eingeladen: Vom freiheitsliebenden Flair der 1970er Jahre über die Liebe zu leuchtenden Farben in den 80-ern, die Pomellato etwa mit Edelstein-Kreationen einfing, skulpturale Designs der 90er bis zu einer Foto-Serie der chinesischen Foto-Künstlerin Chen Man und einem von den Mailänder Künstlern Anna Paladini und Alberto Maria Colombo kuratierten Blick in die Zukunft, ermöglich durch Künstliche Intelligenz.
Auch über fünf Jahrzehnte nach der Gründung steht Pomellato dafür, sich keine Grenzen setzen zu lassen. Wie offen man in Mailand für ein Verschmelzen der Disziplinen ist, beweist auch, dass mit Vincenzo Castaldo seit 2015 ein Kreativdirektor im Amt ist, dessen Hintergrund in der Architektur liegt. Dieser Hintergrund beeinflusse seine Herangehensweise an Schmuckdesign maßgeblich: „Er hat mir beigebracht, die Bedeutung von Struktur, Proportionen und dem Zusammenspiel von Form und Funktion zu schätzen. Mein künstlerischer Hintergrund war mein größter Einfluss und hat mich geschult, alles um mich herum zu beobachten und darin Inspiration zu finden.“
Bei Pomellato habe man eine ganz eigene Philosophie im Umgang mit Edelsteinen, die hier „free gems“ genannt werden, erklärt Vincenzo Castaldo, der 2002 zum Unternehmen kam. Zu diesem Umgang gehörten unkonventionelle Schliffe, unerwartete Farbharmonien und innovative Fassungen, die den Charakter jedes Steins maximieren: „Wir glauben, dass der wahre Wert und die Schönheit eines Edelsteins in seinem unverwechselbaren Charakter und seiner einzigartigen Natur liegen.“ Ein besonders gutes Beispiel dafür sei die Nudo-Kollektion: „Der Edelstein scheint frei zu schweben, befreit von traditionellen Krappen oder klassischen Fassungen. Durch seinen innovativen Schliff und die spezielle Fassungstechnik strahlt die individuelle Persönlichkeit jedes Steins uneingeschränkt und einzigartig hervor, während das Licht mit seiner Transparenz tanzt und über seine unkonventionellen Facetten spielt.“
Für Stücke wie diese braucht es besonders versierte Goldschmiede. Über 100 von ihnen setzen in den Ateliers von Pomellato kreative und innovative Ideen um, auch der Nachwuchs wird von Pomellato ausgebildet. Das Hauptatelier befindet sich in Mailand. „Diese zentrale Lage ermöglicht es uns, die Qualität und Handwerkskunst unseres Schmucks genau zu kontrollieren und gleichzeitig die Mailänder Goldschmiedetradition zu bewahren, die einen wesentlichen Bestandteil der Identität von Pomellato ausmacht“, so Vincenzo Castaldo.
Traditionelles Handwerk und neue Techniken verschmelzen hier wie die Glieder eines Colliers, etwa wenn 3-D-Modellierung und -Druck zum Einsatz kommen. Die uralte Technik der Mikrofusion, eines Wachsausschmelzverfahrens, mit dem die weichen, organischen, eben typischen Pomellato-Formen entstehen, wird mit modernsten Mitteln umgesetzt, erklärt Vincenzo Castaldo. „Wir kombinieren oder mischen gerne verschiedene Ansätze, um unerwartete ästhetische Ergebnisse und eine bessere Tragbarkeit zu erzielen und eine einwandfreie Qualität zu garantieren.“ So wird der Stil von Pomellato unverwechselbar.
Die Idee, mit Schmuck das tägliche Leben schöner zu machen, spricht selbstbewusste Frauen an, die sich selbst Gutes tun wollen und können. Da überrascht es nicht, dass laut Pomellato 86 Prozent der Trägerinnen ihren Schmuck selbst erstehen. Immer wieder lanciert das Unternehmen auch Initiativen, um Bewusstsein für Themen wie Inklusion oder auch Gewalt gegen Frauen zu schaffen.
Auf die Frage, welche Stück aus der über fünf Dekaden währenden Geschichte von Pomellato ihn am meisten fasziniert, kann Kreativdirektor Vincenzo Castaldo keine eindeutige Antwort geben: „Die Liste wäre endlos.“ Zu viele bahnbrechende Designs habe es in den vergangenen Jahrzehnten gegeben, zu innovativ seien etwa die Nudo-Kollektion, deren „kraftvolle Schlichtheit den Solitärring revolutionierte“, wie Vincenzo Castaldo es formuliert, und die 2017 gelaunchte Iconica-Kollektion, eine Hommage an die Historie der Mailänder Goldschmiede.
Und dann ist da noch die 2020 eingeführte High Jewelry-Kollektion, mit der Pomellato erneut Regeln brach – oder zumindest mit ihnen spielte: „Diese einzigartigen Kreationen, die die Codes der traditionellen High Jewelry aufrütteln, sprechen die Sprache von Pomellato, aber auf eine noch hemmungslosere, rücksichtslosere und raffiniertere Weise“. Aus Vincenzo Castaldos Sicht leben all diese Designs von Handwerkskunst, die mit Innovation verschmilzt und tragbaren Luxus entstehen lässt. Das ist nur dank der Achtung vor dem Erbe von Pomellato möglich, das die Ausstellung in Shanghai würdigt. Dazu passt die Überzeugung des Kreativdirektors: „Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit.“
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