Fans der Schauspielerin aufgepasst! Die neue Wendezeit-Komödie mit Sandra Hüller startet heute am 25. Juli und wir hatten die Möglichkeit mit ihr zu sprechen.
In dem Film ZWEI ZU EINS geht es um eine große Menge Ost-Geld, das die Protagonisten sich aneignen, kurz bevor es wertlos wird, und ganz im Sinne des Sozialismus unter sich und den Nachbarn verteilen.
Schauspielerin Sandra Hüller gilt als eine der Besten ihrer Generation und sorgte gleich mit zwei Filmen für Aufsehen: Mit dem Auschwitz-Drama „The Zone of Interest“ und dem französischen Justizthriller „Anatomie eines Falls“. Beide Filme holten Preise, u. a. den Oscar. Spätestens seit Hüllers Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin gilt sie als DER international gefeierte deutsche Star. Jetzt gibt es Nachschub für ihre Fans, ab dem 25. Juli ist Sandra Hüller in der Wendezeit-Komödie „Zwei zu Eins“ zu sehen.
Wenn es um ihr Privatleben geht, ist die Schauspielerin mehr als zurückhaltend und gibt wenig preis – auch nicht über ihre Kindheit im Osten. „Das sind private Momente“, wie sie sagt. Ich treffe sie zum Filminterview in München und bin wenig überrascht von ihrer zunächst distanzierten Art, dieser Ruf eilt ihr voraus. Mein Eindruck im Laufe des Gesprächs: Wenn man bereit ist, auch etwas von sich zu erzählen, ist sie durchaus offen, Stellung zu beziehen – nicht zu allen, aber einigen Themen. Und auch, wenn ich es – im Gegensatz zu ihr – durchaus nachvollziehen kann, dass Menschen sich nicht nur für ihre Arbeit als Schauspielerin, sondern auch für sie als Person interessieren, und ich grundsätzlich finde, dass ein bisschen Offenheit zu so einem Job dazugehört, erwische ich mich bei dem Gedanken, dass ich am liebsten einfach gerne mal privat ein Glas Wein mit ihr trinken und mich über Gott und die Welt unterhalten würde. Themen gäbe es sicher genug.
Jule Gölsdorf: In Ihrem aktuellen Film ZWEI ZU EINS geht es um eine große Menge Ost-Geld, das die Protagonisten sich aneignen, kurz bevor es wertlos wird, und ganz im Sinne des Sozialismus unter sich und den Nachbarn verteilen. Was hätten Sie persönlich in dieser Situation getan? Hätten Sie das Geld ebenfalls an sich genommen?
Sandra Hüller: Ich finde die Idee, dass das Geld unter allen aufgeteilt wird, richtig und gut. Ich wäre wahrscheinlich nicht auf die Idee mit dem Tauschtrick gekommen, aber wenn, dann hätte ich es genauso gemacht.
JG: Wenn Sie unverhofft an so viel Geld kommen würden, für was würden Sie es ausgeben? Was würden Sie sich kaufen?
SH: Ich glaube, dass es wahnsinnig unbefriedigend ist, wenn man das Geld für sich ausgibt. Ich glaube, es ist viel besser, es aufzuteilen und gemeinnützige Gesellschaftsprojekten zu unterstützen, so wie Marlene Engelhorn, die BASF-Millionen-Erbin, es getan hat.
JG: Was hat Sie an der Figur der Maren gereizt?
SH: Die Eigenschaften, also die Stabilität, den Witz, die Warmherzigkeit, ihre Unerschrockenheit.
JG: Es geht in der Geschichte um Zusammenhalt, Gemeinschaft, Gerechtigkeit und Freundschaft – Werte, die in der heutigen Zeit immer häufiger verloren gehen, gerade wenn man social media betrachtet, wo viele sich nur um sich selbst drehen. Wie gehen Sie damit um?
SH: Ich beobachte das auch, der Austausch untereinander wird weniger, weil er eben über die Plattformen stattfindet. Ich bin aber vorsichtig, deswegen bashing zu betreiben, meine Großeltern zum Beispiel fanden ja auch nicht alles gut, was wir gemacht haben. Vielleicht entsteht daraus etwas, das wir jetzt noch gar nicht wissen können. Dennoch finde ich es unangenehm und nehme auch wahr, dass die gesellschaftlichen Verschiebungen, mit denen wir es gerade zu tun haben, möglicherweise auch daher kommen, dass es untereinander kein Korrektiv mehr gibt, niemand sagt dem anderen mehr direkt „was redest du für einen Stuss.“, weil wir einfach nicht mehr miteinander sprechen. Diese Anonymität ist sicherlich gefährlich, aber vielleicht kann sich doch noch etwas Positives daraus ergeben.
JG: Ein ostdeutsches Phänomen: Die Menschen fühlen sich abgehängt. Sie haben Ihre Kindheit mal mit dem Begriff der Geborgenheit beschrieben, eine Stimmung, die auch der Film ZWEI ZU EINS transportiert. Ist den Menschen im Osten die frühere Geborgenheit verloren gegangen und treibt sie das dazu, eine rechtspopulistische Partei zu wählen?
SH: Ich denke, dass die Wende nicht richtig verarbeitet worden ist, sie ging einfach zu schnell. Das Trauma, so kann man das vielleicht nennen, das dadurch bei vielen entstanden ist, wurde und wird nicht aufgearbeitet, weil die Wende offiziell ja abgeschlossen ist. Dennoch habe ich überhaupt kein Verständnis für faschistische Wahlentscheidungen. Ich finde, das hat etwas mit Verantwortung zu tun. Aber die Gründe dafür liegen sicherlich in der mangelnden Verarbeitung. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass es nicht die Leute sind, die in dieser Zeit schon gelebt haben, sondern es sind die viel Jüngeren, da geht es sicher eher um einen falsch verstandenen Widerstand, eine Haltung, die nicht dem sogenannten Mainstream entspricht.
JG: Kommen wir zurück auf die Schauspielerei: Man sagt über Sie, Sie seien uneitel, ist das so?
SH: Ich bin mir nicht sicher, was das heißt. Also ich nehme schon wahr, ob ich an einem Tag ganz okay aussehe oder eher nicht, das kriege ich schon mit. Aber ich finde, Schauspiel hat nichts mit Schönheit zu tun.
JG: Das Aussehen spielt für Frauen im Fernsehen aber durchaus eine Rolle. Nehmen wir Jan Hofer als Gegenbeispiel – der hat RTL Direkt, das Nachrichtenmagazin bei RTL, moderiert und erst mit über 70 aufgehört. Das wäre doch für eine Frau in Deutschland immer noch nahezu undenkbar! Auf dem Schirm altern, ist das ein Thema für Sie?
SH: Ich beschäftige mich nicht damit, überhaupt nicht, auch wenn es im Gespräch mit Schauspiel-Kolleginnen schon mal Thema war, weil es denen offenbar so ging. Da habe ich dann schon mal sowas gehört wie, du kannst das noch nicht verstehen und wirst dich noch umgucken. Aber wenn das so ist, dann ist es halt so. Ich werde aber weder mein Verhalten noch mein Aussehen aus dieser Angst heraus anpassen.
JG: Würden Sie jungen Frauen denn noch dazu raten, den Beruf der Schauspielerin zu ergreifen?
SH: Ich denke, entweder man muss Schauspielerin sein oder nicht, ich kann das weder empfehlen, noch davon abraten. Wenn man das Gefühl hat, man muss das machen, dann muss man das auf sich nehmen. Ich glaube aber, es ist in vieler Hinsicht heute leichter, weil die Grenzen gesellschaftlich anders gesetzt sind, was zum Beispiel sexistische Verhaltensweisen angeht. Das Auffangsystem ist ein anderes, die Art und Weise, darüber sprechen zu können, ist eine andere. Es ist schon viel passiert, es ist sicher ungefährlicher, als es früher war.
JG: Was mit dem Beruf einher geht, sind die Auftritte in der Öffentlichkeit, die Sie offensichtlich nicht sonderlich mögen. Sie geben wenig Privates preis. Ist das die Angst davor, zu verletzlich zu sein?
SH: Das ist einfach mein Leben, das geht niemanden etwas an, außer meinen FreundInnen und meiner Familie.
JG: Der Erfolg eines Films hängt natürlich primär an einer guten Geschichte, an guten schauspielerischen Leistungen, basiert aber auf dem Interesse der Zuschauer, die auch über die Persönlichkeit der Schauspielerin etwas erfahren wollen. Können Sie das nicht verstehen? Ist das nicht part of the job?
SH: Also wenn ich jemanden spielen sehe, dann weiß ich ja auch nicht, was die Person privat mag. Für mich existiert da eine Grenze, ich kann das nicht nachvollziehen, tut mir leid.
JG: Was aber über Sie bekannt ist: Sie haben einen Hund. Ein befreundeter Psychologe hat mir mal gesagt, ein Hund ist der Spiegel dessen, was wir Menschen uns wünschen. Was gibt er Ihnen?
SH: Eigentlich ist der Hund nicht dazu da, mir etwas zu geben. Das möchte ich nicht, der ist ja für sich da. Aber ein Leben mit Hund gibt Struktur, auch wenn es gleichzeitig viel Arbeit ist. Die Anwesenheit eines Tieres verändert etwas im Raum, egal wie, ob das jetzt positiv oder negativ ist, das hat Einfluss. Ich mag es irgendwie, darauf zu gucken, was passiert jetzt?
JG: In jedem Fall macht ein Hund den Kopf frei, was bei all dem Trubel um Ihre Person nicht schaden kann. Wenn Sie nochmal zurück schauen auf Ihre Oscar-Nominierung: Das muss eine tolle Erfahrung gewesen sein?!
SH: Ja, genauso würde ich das beschreiben, das war eine sehr interessante Erfahrung. Es ist eine schöne Erinnerung. Das war eine sehr intensive, schöne, aber auch erschöpfende Zeit, die Wertschätzung, die alle Beteiligten dieser Filme erfahren haben, das war schon sehr speziell.
JG: Sie haben mal gesagt, dass Menschen Sie mit zunehmendem Erfolg anders behandeln. Man hat natürlich auch mehr Fans, vielleicht auch mehr Ja-Sager um sich, Menschen, die einem zunehmend nach dem Mund reden. Wie haben Sie sich denn mit dem Erfolg verändert?
SH: Die Menschen, mit denen ich zusammen arbeite, sind schon lange an meiner Seite, ich glaube, ich würde es merken, wenn die mir plötzlich nach dem Mund reden würden. Ich umgebe mich mit Leuten, die ehrlich zu mir sind, das ist mir auch extrem wichtig. Ich bin aber froh, dass dieser große Erfolg erst jetzt passiert ist und nicht, als ich ganz jung war. Das ist ja mein Leben, das habe ich so gestaltet, wie ich das haben will. Ich habe auch nicht auf etwas gewartet und weiß auch, dass Dinge wieder vorbeigehen. Deshalb kann ich das jetzt annehmen und genießen. Das war ja aber auch nicht die Erfüllung meiner Wünsche, das passierte jetzt einfach so.
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