Wäis schrieb früher Stücke für die Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, NZZ am Sonntag
und ist vielen noch bekannt durch ihre amüsanten Gesellschafts- und Stil-Kolumnen bei Instyle, Annabelle oder Welt am Sonntag. Jetzt startet sie eine neue Kolumne bei Marie Claire.
Zu den vielen Vorteilen, die es hier in der Schweiz dann doch so gibt, gehört, dass Fußball keine Rolle spielt. Und ich hasse Fußball, so ganz klassisch. Ja, ich weiß, Fußball hassen als Frau ist unmodern und boomerhaft aber was soll ich machen.
«Mittlerweile schauen aber auch alle Frauen Fußball» sagt meine Schwester. «So peinlich.“ antworte ich. „Denn sie schauen es nicht, weil sie es lieben und ihr Herz für ihre Mannschaft, Trainer oder was weiß ich schlägt, sondern weil sie den Männern dieses Vergnügen unter sich nicht gönnen und sie sogar oder gerade beim Fußball nicht aus den Augen lassen wollen. Kontrollsucht.».
Um sicherzugehen frage ich direkt ein paar schwule Bekannte, ob sie jetzt auch schon Fußball schauen. «Iiih Horror!» sagt einer. «Hab in meinem Leben noch kein einziges Spiel gesehen!» ruft der andere entsetzt. Der dritte ist mein Therapeut und winkt nur kopfschüttelnd ab. Es ist, wie ich sagte, die Schwulen haben es nicht nötig, mit Bier gefüllten Schreihälsen in scheußlichen Trikots hinterherzulaufen, um sicherzugehen, dass die keinen Unfug treiben.
Gerne wäre ich auch schwul, denn ich habe leider durchaus einige Spiele sehen müssen. Nicht im Stadion, um Gottes Willen, aber sehr oft vor meinem eigenen TV, wo plötzlich zehn bis zwanzig grölende Typen, jeder mit einer Bierdose in der einen und einer brennenden Zigarette in der anderen Hand ohne eine Einladung meinerseits auf meinem weissen Teppich sassen. Wenn nicht WM oder EM, dann gab es Bundesliga oder sonstige Spiele, es gab nie kein Fußball und immer einen Boyfriend mit einem Haufen Jungs im Schlepptau. «B kommt noch zum Fussi gucken ok?» B kommt mit O und P, sie tragen Heineken sixpacks. Sie lassen die Tür gleich offen, denn es kommen noch V und T. «Ja, dann kann ich ja gehen..» «Nein bleib doch bitte bitte..»
Sie zwangen einen einfach dazubleiben, zumindest die wichtigen «spannenden» Spiele mitanzusehen. «Es macht einfach mehr Spass, wenn eine nölende Tussi dabeisitzt hahaha» war die Antwort auf mein Flehen um Erbarmen. Es war oft so langweilig, dass ich lieber in die Küche ging, um mit einer großen Platte Schnittchen, garniert mit Gürkchen, zurückzukommen. Deswegen konnte ich mein Glück über die fußballfreie Zone Schweiz nicht fassen und bin immer noch dankbar.
Aber andererseits, aus meinen Bierdosen-Jungs sind jetzt ältere Herren zwischen 50 und 60 mit grauen Bärten geworden. Von mir aus seid ihr alle herzlich eingeladen, dieses Jahr Halbfinale und Finale bei mir zu schauen. Ich mache immer noch richtig gute Schnittchen. Und meine reichen, schweizer Nachbarn haben so eine deutsche Störung der Totenruhe wirklich verdient.
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