Wäis schrieb früher Stücke für die Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, NZZ am Sonntag
und ist vielen noch bekannt durch ihre amüsanten Gesellschafts- und Stil-Kolumnen bei Instyle, Annabelle oder Welt am Sonntag. Jetzt startet sie eine neue Kolumne bei Marie Claire.
Es ist Mitte Juni. Ich habe einen Termin in der Stadt und kleide mich an. Eine der vier Jeans die ich den ganzen Winter trug, Longsleeve, sehr dicke Strickjacke, die hässlichen Docs, die ich eigentlich im Schuhschrank hinten verbannt hatte, für den Notfall. Jetzt ist Notfall denke ich und quetsche mich in meinen Trench, der mir wegen der dicken Wolljacke etwas zu eng ist. Ich sehe scheisse aus, aber wen interessiert das schon?
Draussen auf der Strasse denke ich, es ist zu kalt für den Trenchcoat und lasse mir den erfrischenden Nieselregen ins Gesicht rieseln. Eine Freundin postet sich: „Off to Art Basel in our summer-winter clothes.“ Ja genau, denke ich, man trägt einfach die Sachen weiter, ohne Pause oder Wechsel.
Ich hatte die dicken Pullis alle schon in den Schrank im Gästezimmer, um für die neue und bestehende Sommergarderobe Platz zu schaffen, aber ich ziehe sie nach und nach alle wieder raus: Meine Sommerkleider, die ich auf der Suche nach einem sommerlichen Cashmereschal zufällig wiedersah, hatte ich schon vergessen. Neue Sommergarderobe habe ich auch keine, es gibt ja nichts zu kaufen.
Mein Lieblingsonline Store in London, Matchesfashion.com ist pleite. Ich habe seit Netaporter verkauft wurde und verschrottisiert wurde, sicher das meiste meiner Sachen dort bestellt und den Laden geliebt. Aber vorbei, es gibt nichts mehr. Und wir hatten am Zürichsee die letzten Wochen genau zweieinhalb schöne Tage, ansonsten Dauerregen und Februar. Wer vermisst da Sandalen und Bikinis?
Früher, in der guten alten Zeit als es noch Sommer, Parties und lange Ferien auf Ibiza gab, hing meine neue Sommergarderobe schon Anfang Mai komplett mit Accessoires und Beach Looks auf einer extra Kleiderstange. Ende August machte sich immer etwas Panik breit, weil an einigen Looks noch die Etiketten baumelten. Und da man ja an jeder Situation etwas positives erkennen soll, sage ich: Wie gut dass es schon solange nichts zu kaufen gibt. Wie gut, dass es Matches und Topshop nicht mehr gibt. Wie gut, dass immer Winter ist und man das ganze Jahr dasselbe trägt. Wie gut dass man endlich etwas Platz in den Schränken hat. Wie gut, dass sich Ibiza so übel entwickelt hat, dass man da nicht mehr hinwill. Wie gut, dass die Nachrichten aus der Welt keinen Style Vibe zulassen, in dem man sich für alles 3 x umzieht. Zu all den Glücksfällen kommt, man hat super viel Geld übrig. Kleider-Geld, Ausgeh-Party-Geld, Ibiza Geld.
Ich drehe jetzt die Heizungen an. Meine Stromrechnung ist die letzte Stelle an der ich mich noch dekadent und leichtsinnig fühlen kann.
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