Wäis schrieb früher Stücke für die Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, NZZ am Sonntag
und ist vielen noch bekannt durch ihre amüsanten Gesellschafts- und Stil-Kolumnen bei Instyle, Annabelle oder Welt am Sonntag. Jetzt hat sie eine neue Kolumne bei Marie Claire.
Letzte Woche, nach der Dino Party und etwas Leisure Time in meiner alten Heimat, fuhr ich aus München zurück nach Zürich.
Früher, in der guten alten Zeit vor der Pandemie und dem Ukraine Krieg fuhr ich gerne mit dem Bus. Neben Flix Bus gab es noch einen IC-Bus, der war besser, weil das Wlan funktionierte. Außerdem waren die Busse unter der Woche fast leer. Aber den IC Bus gibt es nicht mehr und mit den Flix Bussen kann man auch nicht mehr fahren. Es gab Unfälle mit Toten und Verletzten und auch andere Gründe, also fahre ich wieder Zug.
Die Hinfahrt war super, aber zurück fuhr ich abends, das war ein Fehler. Der Schweizer SBB-Zug war natürlich pünktlich, die Waggons waren fast leer, ich konnte mir aussuchen, welchen Vierertisch ich einnehmen wollte. Keine Kinder, Dauertelefonierer, keine schreienden Italiener. Nur das Licht im Zug war grell und grausam, die Klima war so kalt, dass ich meine neuen Cashmere Sachen aus dem Rimowa zog und mich darin einwickelte. Der Opi schräg gegenüber stocherte nach dem Verzehr seines Sandwiches original 30 Minuten mit einem Zahnstocher, den er aus seinem Victorinox zog, in seinen alten Zähnen. Er hatte jeden Zahnzwischenraum sicher schon dreimal durchstochen und hörte nicht auf. Reine Stocherlust. Zweimal hielt ich die Schaffnerin an der Jacke fest und jammerte sie laut an, sie soll das Licht dimmen und es sei zu kalt, ich hätte Rheuma und würde morgen sterben.
In die neuen Pullover (schokobraun, Popelgrün) mit baumelnden Etiketten gewickelt, sah ich aus wie eine Schiffbrüchige und fühlte mich total unsexy. «Ich muss mal luege» sagte sie, wie es alle Schweizer tun, wenn sie keinen Bock haben. Es blieb auch kalt, bis wir pünktlich Zürich HB erreichten. Im Uber nach Hause hasste ich noch etwas mehr die menschenverachtende SBB, die Schaffnerin, alle Klimaanlagen, die anderen, die im T-Shirt nicht froren und mein leidvolles Leben. Ich wurde nicht krank, dachte aber verbittert an ganz früher zurück, als ich mit dem Sixt Limousinenservice zwischen Zürich und München hin und her chauffiert wurde.
Zwei Tage später fuhr meine Schwester, die Mutter von Don Bruno, zurück nach München, nachdem sie den Don zu unseren Eltern gebracht hatte. Kaum hatten wir ihr im Familienchat «gute Fahrt» gewünscht, schrieb sie: Mein Zug nach München ist annulliert. Kurz danach: Alle Züge nach München aus Hannover sind annuliert. Meine Mutter: Komm zurück. Ich: Nimm dir einen Mietwagen! Schwester: Es gibt in ganz Hannover keinen Mietwagen mehr. Mutter: Geh zum Info Stand und kläre die Situation. Ich: Da stehen jetzt 100 Leute. Schwester: Da stehen grade 1000-2000 Leute. Ich nehme einen Zug nach Frankfurt und schlage mich von dort aus durch. Ich: Du wirst Tage unterwegs sein und das letzte Stück zu Fuß gehen, so wie Jude Law in Australia. Schwester: Es standen 1000 Menschen am Gleis und als sich die Türen schlossen hingen noch schreiende Menschentrauben an allen Türen. Ich: Das war bei uns im April 45 auch so, aber wir hatten noch den Russen im Nacken. Schwester: Wir stehen in Kassel. Der Lokführer hat den Zug einfach verlassen, es gibt keinen neuen! Meine Mutter: Komm zurück. Schwester: Es gibt einen Zug nach München über Stuttgart, da steige ich gleich ein. Ich: Hertz hat einen BMW in Kassel Nord! Schwester: Oh no, ich habe meinen Führerschein nicht dabei. Ich: Überall steht die DB hat schwere technische Störungen! Viele Züge fallen aus, sie arbeiten daran es zu beheben… Ich: Fart ihr? Schwester: Irgendwann, wir stehen noch. Vater: Gott sei Dank. Ich: Ist die Klima an? Schwester: Es gibt einen Direktzug nach München, ich wollte eben wieder aussteigen, aber alle sagen, es ist Krieg und ich soll lieber in diesem Zug bleiben, der wirklich irgendwann fährt, als in einen steigen, den es nicht gibt.
Der Zug fuhr dann auch mit zwei Stunden Verspätung los. Sie kam um 2.30 morgens nach einem 14 stündigen Horrortrip in München an und wurde sofort krank, sie liegt seit zwei Tagen siechend im Bett. Zugfahren ist Folter, aber die Deutsche Bahn muss verboten werden.
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