Wäis schrieb früher Stücke für die Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, NZZ am Sonntag
und ist vielen noch bekannt durch ihre amüsanten Gesellschafts- und Stil-Kolumnen bei Instyle, Annabelle oder Welt am Sonntag. Jetzt hat sie eine neue Kolumne bei Marie Claire.
Letzte Woche war Adele Konzert in München. Soweit war meine Welt noch in Ordnung.
Adele ist Oma Musik. Die Omas kennen es aus der Bauch-Beine-Po Stunde im Fitnessstudio und stellen das Radio lauter und summen beim Spülmaschine ausräumen dazu. So dachte ich bei der Musik von Adele. Und ihren Erfolg erklärte ich damit, dass es sehr sehr viele Omas, Spülmaschinen und Fitnessstudios gibt.
Diese Omas sind gar nicht so alt, hinzu kommen Tausende Basic Bitches, die auch „Barbie den Film“ im Kino sahen und sich dabei versuchten, etwas zu denken. Tausende, aber nicht Millionen.
Adele hat ihr eigenes Stadion bauen lassen mit eigenem Biergarten. Bitte was? Wer vergab den dafür in München eine Baugenehmigung? Sie gibt wohl zehn Konzerte, zu denen Fitnessstudio-Besitzerinnen und Abonnentinnen anreisen werden. Dachte ich. Aber völlig falsch.
Genau wie vor zwei Wochen ALLE Frauen auf Social Media Hardcore Taylor Swift Fans waren, sind sie jetzt Adele Fans. Unnatürlich erschlankte Fake Feministinnen auf Ozempic setzten sich mit ihren Fake Chanel Taschen in Berlin in den ICE, um zu Adele zu fahren. Die Tickets der Ozempic Crowd waren nicht gekauft, sondern geschenkt. Die Veranstalter denken natürlich, Adele braucht ein paar coole Hipstergirls, die dann begeistert «kweeen» unter ihre grauenvollen Looks schreiben. Allein was Adele auf der Bühne trug, lässt doch auch jede Oma und Fake Hipsterin erschauern.
Bei schwüler Hitze hüllte sie sich in eine Wolke von schwerem schwarzen Brokat und sah aus, als wäre sie eine Witwe im 19. Jahrhundert, die im Krieg alles verloren hat. Nur die grosse Schlossterrasse war ihr geblieben. Aus Mangel an Stoffen hatte sie in letzter Minute eine lange Robe aus einem Hotelvorhang anfertigen lassen. So wie Scarlett O`Hara in «Vom Winde verweht» aber nicht mit demselben Ergebnis. Das zweite Kleid war kein Vorhang, sondern eher zwei aneinander genähte Dekokissen. Aber: Kweeeen. Und um den Vibe komplett zu killen wurde das Konzert kurz unterbrochen, um das 100-Meter-Finale der Frauen aus Paris zu zeigen!! Ich hätte sie mit faulen Eiern beworfen.
Seit ich Kind bin, gibt es einen allgemeingültigen Code für das, was «Cool» ist, und einen noch strengeren für alles, was uncool ist. Adele ist uncool und ihre Fans sind es noch mehr. Heino war auch uncool und hatte grossen Erfolg. Heinos Fans waren noch uncooler als er selbst. So ging es weiter, in den 80igern gab es Modern Talking, 100% uncool aber erfolgreich, in den 90ern, da war MTV cool und Viva weniger cool. Musik war immer das sicherste Barometer für alles, über Musik funktionierten immer auch die anderen Dinge. Fashion, Design, Lifestyle. Jetzt gibt es keine Barometer mehr. Alle wollen nur eins: irgendwo umsonst hinfahren, dazu gehören, dabei sein, Kweeeen schreien und die Welt verpesten.
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