Jule Gölsdorf im Gespräch mit Frauen in Business und Politik über ihren persönlichen Weg weit nach oben #10 Lara Schimweg
„Unterschätzt zu werden, muss nicht immer ein Nachteil sein.“ sagt Lara Schimweg, Gründerin & CEO Xeno, im Interview mit Marie
Kira Alin Erste transidente Nachrichten-Moderatorin Deutschlands | Journalistin :newstime ProSieben und Kabel Eins| Lead Member PROUD@ProSiebenSat.1
Learning 1: Von Diversität in Unternehmen profitieren alle Mitarbeitenden, sie hat Einfluss auf den Erfolg! Unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen führen zu innovativeren Ansätzen.
Learning 2: Unternehmen sollten ein wertschätzendes Umfeld schaffen und Netzwerke für LGBT+ Mitarbeitende schaffen, um das Bewusstsein für Diversität und Inklusion zu schärfen.
Learning 3: Es ist richtig, Transidentität offen anzusprechen, es bleibt aber eine persönliche Entscheidung. Betroffene sollten sicherstellen, dass sie sich in einem unterstützenden Umfeld befinden.
Jule Gölsdorf: Du bist die erste Nachrichtenmoderatorin, die ihre Transidentität öffentlich gemacht hat. Bist du in deinem Berufsleben von Anfang an offen damit umgegangen?
Kira Alin: Nein! Als ich angefangen habe, war Diversität in Unternehmen eher geprägt von der Gleichstellung der Frau als von LGBT+ (lesbian, gay, bisexual, trans +). Zu Beginn meiner Karriere war ich unsicher, hatte Selbstzweifel und Angst davor, wie Vorgesetzte damit umgehen würden. Und es gab natürlich Rückschläge! Zum Teil habe ich erst im Nachhinein erfahren, dass darüber diskutiert wurde, wie Werbekunden damit umgehen würden, wenn ich als Reporterin mit Transidentität öffentlich auftrete. Und ich wurde auch offen diskriminiert in Redaktionen, es war kein einfacher Einstieg! Mit ProSiebenSat.1 habe ich aber ein Unternehmen gefunden, das mir das Gefühl gibt, dass meine Geschlechtsidentität keine Rolle spielt. Ich hatte alle Freiheiten, mich zu entfalten.
JG: Man veröffentlicht seine Geschlechtsidentität ja nicht im Lebenslauf, wieso wurde sie trotzdem Thema am Arbeitsplatz?
KA: Ich hätte mich niemals getraut, meine Transidentität in den Lebenslauf zu schreiben und es gehört da auch nicht hin! Ich bin aber im Arbeitsumfeld offen damit umgegangen, ich wollte das nie verheimlichen! Aber in der Öffentlichkeit war man, was das Thema Diversität angeht, natürlich viel weiter, als es dann in den Unternehmen gelebt wurde. Man muss sich vorstellen: Bis 2011 wurde Transidentität laut WHO als psychische Krankheit klassifiziert. Die Community musste hart dafür kämpfen, das zu ändern. Bis 2022 duften transidente Menschen auch kein Blut spenden. Zum Glück hat sich viel verändert, aber es gibt gleichzeitig noch viel zu tun! Ein wichtiger Schritt wäre zum Beispiel eine Aufnahme in Artikel 3 des Grundgesetzes, dass man aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität nicht diskriminiert werden darf, ähnlich wie bei der Religionsfreiheit.
JG: Es ist vermutlich einfacher, im privaten Umfeld darüber zu reden, als mit Kollegen, die man noch nicht gut kennt. Wie schwierig war und ist das?
KA: Ich glaube, es war und ist richtig, meine Transidentität offen anzusprechen, anstatt sie zu tabuisieren, wir kommen sonst nie dahin, dass sie eine Selbstverständlichkeit ist. Das ist ja auch das, was sich viele aus der LGBT+-Community wünschen: Normalität und Durchschnittlichkeit. Aber da sind wir leider noch nicht, gerade in der Zeit, in der wir gerade leben. Das gesellschaftliche Klima ist sehr rau, Menschen führen einen Kampf um Ressourcen, auch um die Ressource Aufmerksamkeit, werfen sich gegenseitig vor, das bestimmte Themen wichtiger oder unwichtiger als andere sind, usw. Dabei gehört es zu einer Demokratie dazu, dass Minderheiten geschützt werden und Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt besteht.
JG: Auch wenn du in deinem beruflichen Umfeld schon lange offen mit deiner Transidentität umgehst, öffentliche Interviews hast du erst kürzlich dazu gegeben. Wie waren die Reaktionen darauf?
KA: Die meisten waren positiv, aber man holt sich natürlich auch viel Hass ab! Es gibt Leute, die auf unterschiedliche Art und Weise versuchen, das Thema zu diskreditieren. Zum Beispiel greifen sie einige transidente Menschen als Ganzes an, vorwiegend übrigens aus dem radikal-feministischen Bereich, die sogenannten TERFS (Trans-Exclusionary Radical Feminist). Transfrauen sind für sie ein Feindbild, weil sie ihrer Meinung nach zu sehr die weibliche Rolle bestätigen. Sie wollen das herkömmliche Frauenbild auflösen. Auch von extremistischer Seite werde ich angegriffen – sowohl von rechts, als auch aus der islamistischen Szene. Es gibt aber auch Menschen, die einfach in die Diskussion gehen wollen und da gehe ich dann gerne drauf ein. Ich akzeptiere unterschiedliche Meinungen natürlich, aber keine respektlosen Kommentare.
JG: Würdest du jungen Menschen raten, offen mit der Transidentität umzugehen?
KA: Das ist nicht einfach zu beantworten, weil es ja eine sehr persönliche Entscheidung ist, die von vielen individuellen Faktoren abhängt. Es gibt da kein richtig oder falsch! Ich würde jungen Menschen raten, zuerst sicher zu stellen, dass sie sich in einem unterstützenden, sicheren Umfeld befinden. Es braucht Unterstützung von der Familie, von Freunden, von der Community, die können einen stärken und schützen. Und sie sollten ein starkes Selbstbewusstsein aufbauen, um auch in der Öffentlichkeit vertreten zu können, wer sie sind.
JG: Wie können denn Unternehmen ein wertschätzendes Umfeld schaffen und Diversität unterstützen?
KA: Ein wichtiger Schritt ist die Schaffung von Netzwerken, die speziell auf die Bedürfnisse von LGBT+ Mitarbeitenden eingehen. Ein Beispiel ist das PROUD-Netzwerk bei ProSiebenSat.1. Wir setzen uns aktiv für die Belange von LGBT+-Mitarbeitenden innerhalb des Unternehmens ein. Es bietet eine Plattform für Austausch und Unterstützung, das fördert ein Gefühl der Zugehörigkeit und stärkt das Selbstbewusstsein. Zudem trägt das Netzwerk dazu bei, das Bewusstsein für Diversität und Inklusion im gesamten Unternehmen zu schärfen, es fördert eine offene und tolerantere Unternehmenskultur. Der Druck und Stress, dem LGBT+-Mitarbeitende ausgesetzt sind, wird oft unterschätzt, denn die Frage, ob man sich verstecken muss oder sich öffnen darf, kostet viel Energie und kann die Arbeitsleistung massiv beeinträchtigen. Außerdem sollten Unternehmen natürlich auch klare Richtlinien gegen Diskriminierung haben und diese auch konsequent durchziehen. Bei ProSiebenSat.1 haben wir einen code of conduct, der vorgibt, dass sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt kein Grund sein dürfen, diskriminiert zu werden. Von der Vielfalt der Perspektiven und Erfahrungen profitieren ja übrigens auch alle anderen Mitarbeitenden eines Unternehmens. Die Vielfalt bietet neue Perspektiven, eine Vielseitigkeit, die den Erfolg ausmachen kann.
JG: Diversität ist etwas, das sich einige Unternehmen nach außen gerne auf die Fahne schreiben. Hattest du auch schon mal den Eindruck, wegen deiner Transidentität bevorzugt oder benutzt worden zu sein?
KA: Diversität ist in der Tat ein großes Thema in Unternehmen. In meinem Fall hatte ich aber nie das Gefühl, dass meine Transidentität der einzige oder der Hauptgrund für die Beschäftigung war. Ich kann mir aber vorstellen, dass man sich fragt, ob man aufgrund der eigenen Identität bevorzugt wird. Aber der Fokus sollte darauf liegen, dass man die eigenen Talente einbringt. Gute Unternehmen schätzen ihre Mitarbeitenden aufgrund ihrer Qualifikation und Leistung und nicht aufgrund ihrer Identität. Es ist einfach wichtig zu erkennen, warum Diversität ein wichtiges Thema ist. Diverse Teams erzielen einfach bessere Ergebnisse, das zeigen auch neueste Statistiken. Unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen führen zu kreativeren Lösungen und innovativeren Ansätzen. Und eine diversere Belegschaft spiegelt auch die Gesellschaft besser wider.
JG: Unsere Schlussfrage: Was war in deinem Leben ein Geschenk, eine Strafe, ein Test?
KA: Ein Geschenk war die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde, ohne ihren Glauben an mich hätte ich viele Herausforderungen nicht meistern können. Eine Strafe war es mal, als ich eine wichtige Gelegenheit verpasst habe, weil ich zu zögerlich war, mir das Selbstvertrauen fehlte. Der Misserfolg hat mich gelehrt, dass man Chancen ergreifen und mutig sein muss, auch wenn das Risiko besteht, Fehler zu machen. Ein Test war definitiv die Zeit, als ich mich entschieden habe, einen komplett neuen Weg einzuschlagen und mich in einem unbekannten Feld zu beweisen. Dass ich transident bin, konnte ich mit 4 Jahren noch nicht ausdrücken, aber mir war klar, dass ich ein Mädchen bin, nur der Körper war nicht der richtige. Festzustellen, dass ich transident bin, das war ein Test, den ich glaube gut bewältigt zu haben.
„Unterschätzt zu werden, muss nicht immer ein Nachteil sein.“ sagt Lara Schimweg, Gründerin & CEO Xeno, im Interview mit Marie
„Der Druck, dem LGBT+-Mitarbeitende ausgesetzt sind, wird oft unterschätzt, denn die Frage, ob man sich verstecken muss oder sich öffnen
Heute mit Regine Büttner und Miriam von Loewenfeld, Co-Founder WOMAN360
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