Die von Maria Luisa Frisa kuratierte Ausstellung „Memorabile. Ipermoda“ blickt zurück auf die ikonischsten Kollektionen und Designs seit 2015. Sie erzählt von der spannenden Dynamik zwischen Modearchiven und zeitgenössischer Kreativität sowie der Verschmelzung von Design und Technologie genauso wie von der Herausforderung „unvergessliche“ Mode zu schaffen.
Fotos: PR
Vom Wunsch nach Schönheit, der die letzten Jahre geprägt hat, von den utopischen Visionen, die die Mode uns bietet, und den damit verbundenen Fragestellungen.
Kurz gesagt: Neben ikonischen Stücken und legendären Designs, beleuchtet die Ausstellung auch die großen Themen, die die Branche bewegen. Was ist die Rolle der Mode seit 2015? Welche kreative und wirtschaftliche Bedeutung hat sie dabei? Wie wird mit Nachhaltigkeit umgegangen? Was bedeutet es, in einer Zeit von Fast Fashion und viralen Trends langlebige Mode zu schaffen? Und welche Verantwortung tragen Luxusmarken und unabhängige Labels?
Marie Claire (MC): Der Name der Ausstellung lautet „Memorabile. Ipermoda“. Was bedeutet „Memorabile“ im Kontext dieser Ausstellung?
Maria Luisa Frisa: Memorabile ist das Verlangen nach dem Staunen, das heute mehr denn je die Mode durchzieht; es ist die Emotion für jene Objekte (Kleidung und Accessoires), die die engste Architektur in Bezug auf unseren Körper sind; es ist die Beziehung zwischen dem Gewöhnlichen und dem Außergewöhnlichen; es ist die kontinuierliche Reaktivierung der Mode und ihrer Darstellungen durch die sozialen Medien. Memorabile erzählt somit von den zeitgenössischen Formen der Mode, denn dieses Projekt nährt sich von der Sehnsucht nach Schönheit, die unsere Zeit durchdringt. Gleichzeitig verdeutlicht es aber auch die Fähigkeit des kuratorischen Gestus, „Geschichte zu schreiben“, es „unvergesslich“ zu machen, wie Mode und ihre Formen es schaffen, die Gegenwart darzustellen und zu hinterfragen.
MC: Gibt es ein Geheimrezept, um Mode unvergesslich (memorabile) zu machen?
Maria Luisa Frisa: Ich glaube nicht, dass es sich um ein Geheimrezept handelt. Der Kern der Ausstellung liegt vielmehr darin, genau jene Qualität offenzulegen, die die Mode in den letzten Jahren so perfekt zum Ausdruck gebracht hat: die Fähigkeit, unvergesslich zu sein. Dies gelingt ihr gerade, weil sie in der Lage ist, die Gegenwart zu hinterfragen und auf jeden Impuls einzugehen, sei er sozialer, politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Natur.
MC: Die Ausstellung befasst sich unter anderem mit Modearchiven. Inwiefern beeinflussen oder begrenzen Archivelemente das zeitgenössische Modedesign?
Maria Luisa Frisa: Das Thema des kulturellen Erbes ist heute mehr denn je von zentraler Bedeutung. Und das nicht nur in der Mode, sondern in allen Bereichen, die unsere soziale und politische Existenz prägen. Archivstücke sind komplexe Gebilde, die zwischen der Materialität von Objekten und der Immaterialität von Praktiken und Prozessen oszillieren, jenem Know-How, das für die Identitätsbildung von Modemarken so entscheidend ist. In der Ausstellung ist das Archiv in der Beziehung zu den Kreativdirektoren präsent, die vor der Herausforderung stehen, es zu reaktivieren. Gleichzeitig bedeutet Erinnerungen zu schaffen, diesen Ideen und Materialien, die uns sagen, wer wir sind und die Wege in unsere Zukunft weisen, eine Stimme und Sichtbarkeit zu verleihen.
MC: Wir leben in einer Welt, in der Trends immer schneller zu kommen und gehen scheinen und sich fast täglich neue sogenannte „Cores“ oder „Asthetics“ entwickeln. Welche Rolle spielt dies in der Ausstellung sowie in der heutigen Gesellschaft?
Maria Luisa Frisa: Das Konzept von Ipermoda wird auch in der Ausstellung sowie im Buch (das ergänzend zur Ausstellung ist) eingeführt, um die Art und Weise zu erzählen, wie wir die Bilder produzieren und konsumieren, die die Visionen des Zeitgenössischen prägen. Die Mode ist in diesem Sinne ein privilegierter Beobachtungspunkt, da sie in all ihren Ausdrucksformen über ihre Grenzen hinauszugehen und die Räume zu besetzen weiß, die ihr maximale Sichtbarkeit verleihen können. Sie ist eine Erweiterung, welche unsere Bildschirme einnimmt und sich in unserer Vorstellungskraft verankert.
In der Ausstellung treten die Objekte in einen Dialog mit einer Reihe von Videos: von den Online-Modenschauen der stillstehenden Zeit während der Covid-19-Pandemie über Modefilme bis hin zu den kurzen Content-Formen, mit denen Marken und Designer:innen ihre Geschichten erzählen und sich in den sozialen Medien inszenieren.
MC: Welche Herausforderungen erlebt die Modewelt momentan und was davon sollte mehr Aufmerksamkeit bekommen?
Maria Luisa Frisa: Die wichtigste Herausforderung für die Mode ist heute mit Sicherheit die Nachhaltigkeit, die jedoch auch eine kulturelle Herausforderung ist. Die Mode ist dabei ein privilegierter Ort, an dem diese Herausforderung angegangen werden kann, gerade weil die partizipativen und kollaborativen Dimensionen zunehmend wichtige Aspekte in den Praktiken der Protagonist:innen des Modesystems sind.
Mode hilft uns heute sicherlich, Körper und Geschlechtsausdruck, das Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu hinterfragen. Sie ist ein Ort, an dem Diversität sowie der Wunsch nach Inklusivität und Dialog zum Ausdruck kommen. In der Ausstellung werden zahlreiche Projekte italienischer und internationaler Designer:innen gezeigt, die diese Themen auf erzählerische und visuelle Weise zum Ausdruck bringen.
MC: Wie hoffen Sie, dass Memorabile. Ipermoda das Verständnis und die Diskussion der Öffentlichkeit über die Rolle der Mode im täglichen Leben und in der globalen Kultur beeinflussen wird?
Maria Luisa Frisa: Ausstellungen sind von grundlegender Bedeutung, wenn es darum geht, den kulturellen Wert der Mode und ihre zentrale Rolle beim Verständnis dessen, wer wir sind und wer wir werden wollen, zu erläutern und hervorzuheben. Ich bin meine Ausstellungsprojekte immer mit dieser Einstellung angegangen, da dies meine Art ist, den kuratorischen Gestus zu verstehen. Ich glaube, dass das Modesystem und seine Protagonist:innen außergewöhnliche Interpret:innen dessen sind, was mit uns geschieht. Sie stellen Fragen und versuchen Antworten zu geben, sie erzählen die Geschichte unserer Zeit und entwerfen die Szenarien von morgen.
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